Zuletzt aktualisiert: 22. September 2020 Psychotherapie
Viele Patienten, die sich in eine psychotherapeutische Behandlung begeben wollen, erwarten eine möglichst rasche Hilfe. Um so enttäuschter sind sie, wenn sie erfahren, dass die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in ihrer Umgebung voll belegte Praxen haben und ein freier Therapieplatz oft erst nach einer Wartezeit von mehreren Monaten zu bekommen ist. Besonders, wenn es sich um eine akute Belastungssituation handelt, erscheint eine Wartezeit von einem halben Jahr und länger unzumutbar. (Lesen Sie hierzu auch: Was tun im Notfall?) Ein Grund für die langen Wartezeiten ist die begrenzte Zahl der Kassenpsychotherapeutensitze, die teilweise deutlich unter dem tatsächlichen Bedarf liegt. Hinzu kommt, dass Psychotherapie eine zeitgebundene und zeitaufwendige Leistung ist, so dass der einzelne Psychotherapeut seine Patientenzahl nicht beliebig erhöhen kann, um dem Bedarf gerecht zu werden. Im Folgenden möchte ich Ihnen einige nützliche Informationen und Hinweise geben:
Machen Sie sich zunächst Gedanken, auf was es Ihnen bei Ihrem zukünftigen Psychotherapeuten ankommt (z. B. Geschlecht, Alter, Entfernung der Praxis zu Ihrem Wohnort). Welches Therapieverfahren soll durchgeführt werden? Von den gesetzlichen Krankenkassen werden die Kosten übernommen für: Verhaltenstherapie, Systemische Familientherapie, Tiefenpsychologie und Psychoanalyse. Mit diesen Informationen können Sie Ihre Suche bereits eingrenzen. Haben Sie Geduld! Es wird eine Weile dauern, bis Sie einen (passenden) Platz gefunden haben. Nehmen Sie zunächst über das Telefon und das Internet zu mehreren Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Kontakt auf. Hilfreiche Links zu speziellen Suchmaschinen und Verzeichnissen finden Sie unter anderem in meiner Linksammlung. Fragen Sie zudem im Freundeskreis, bei Ihrem Hausarzt oder Ihrem Neurologen oder Psychiater nach, an wen Sie sich noch wenden könnten. Auch die Krankenkassen und die Terminservicestelle der KVSH bieten eine Vermittlung zu Kolleginnen und Kollegen an (letztere jedoch nur für ein einmaliges und unverbindliches Erstgespräch bei einer/m zugewisenen Therapeutin/en). Notieren Sie sich am besten in einer Liste, bei wem Sie sich bereits gemeldet haben und wann, wo noch eine Antwort aussteht oder wo Sie auf eine Warteliste gesetzt wurden.
Warteliste
Wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen führe auch ich eine begrenzte Warteliste (10 Plätze), auf der Sie sich vormerken lassen können. So beginnt die Psychotherapie oft mit einer mehr oder weniger langen Wartezeit. Während dieser Zeit sollten Sie sich regelmäßig bei den Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Ihrer Wahl melden, um sich in Erinnerung zu bringen und auch um die Dringlichkeit Ihres Anliegens zu unterstreichen. Manchmal ist auch ein vorgezogenes Erstgespräch möglich. Diese Möglichkeit sollten Sie nutzen bzw. danach fragen, um einen ersten Eindruck zu bekommen und schon einmal zu klären, ob "die Chemie" zwischen Ihnen und dem potentiellen Psychotherapeuten stimmt. Sie können die Wartezeit auch nutzen, um sich auf die Therapie vorzubereiten. Dies kann darin bestehen, Unterlagen und Befunde (Klinikberichte, Arztbriefe) zusammenzustellen, sich Notizen zu machen (z. B. was in der Therapie besprochen und erreicht werden soll) oder ein Protokoll über Ihre Beschwerden zu führen (z. B. als Symptom-Tagebuch).
Psychotherapeutische Sprechstunde
Psychotherapeuten mit einer Kassenzulassung (GKV) sind seit April 2017 verpflichtet, psychotherapeutische Sprechstunden anzubieten. Diese können offen oder terminiert gestaltet werden. Inhaltlich handelt es sich um maximal 3 Vorgespräche (pro Therapeut/in), in welchen eine erste diagnostische Einschätzung erfolgen, der Therapiebedarf geklärt werden und eine Beratung zu Therapieformen und -angeboten sowie zu alternativen Unterstützungsmöglichkeiten (z. B. Selbsthilfegruppen) stattfinden sollte. Ab 2018 wird die Durchführung mindestens einer psychotherapeutischen Sprechstunde am Beginn einer Psychotherapie für alle gesetzlich Versicherten Pflicht. Durch die psychotherapeutischen Sprechstunden haben Patienten, die noch nicht in psychotherapeutischer Behandlung sind, die Möglichkeit, zeitnah eine Erstberatung zu erhalten. Ein Anspruch auf einen Therapieplatz bei dem jeweiligen Psychotherapeuten leitet sich daraus nicht ab.
Sonderfall: Akutbehandlung
Im Falle eines besonders dringenden Behandlungsbedarfs, haben Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten seit dem 2. Quartal 2017 bei gesetzlich Versicherten die Möglichkeit, im Anschluss an die psychotherapeutische Sprechstunde eine psychotherapeutische Akutbehandlung einzuleiten. Diese umfasst 12 Einzelsitzungen und ist ohne vorherige Genehmigung durch die Krankenversicherung durchführbar. Die Sitzungen der Akutbehandlung werden mit möglichen nachfolgend beantragten Stundenkontingenten verrechnet.
Therapiebeginn: Probatorik
Die ersten Sitzungen der psychotherapeutischen Behandlung (nach einer obligatorischen psychotherapeutischen Sprechstunde), die sogenannte Probatorik-Phase, dient dem beiderseitigen Kennenlernen, der Zielklärung und weiterführenden Diagnostik, der Antragstellung und der Therapieplanung. Zu Beginn einer Verhaltenstherapie können bis zu 4 probatorische Sitzungen durchgeführt werden. Sie werden in jedem Fall von der Krankenversicherung übernommen. Falls Sie mehrere Therapeuten kennenlernen möchten, stehen Ihnen bei jeder/jedem Psychotherapeutin/en erneut 4 probatorische Sitzungen zu. Nach der Probatorik können weitere Sitzungen nur durchgeführt werden, wenn sie vom jeweiligen Kostenträger im Rahmen des nachfolgend beschriebenen Antragsverfahrens genehmigt wurden.
Psychotherapieantrag und Kostenübernahme
Der Psychotherapieantrag für Kurzzeittherapie (KZT1 und KZT2, 2x 12 = 24 Sitzungen) ist vergleichsweise einfach. Es wird lediglich geprüft, ob Sie in der Vergangenheit bereits eine Psychotherapie erhalten haben und wie lange diese zurückliegt (mind. 2 Jahre). Wird eine Langzeittherapie oder die Verlängerung (Umwandlung) einer Kurzzeittherapie beantragt (insgesamt 60 Sitzungen) oder liegt die letzte Psychotherapie weniger als 2 Jahre zurück, wird in einem anonymisierten, schriftlichen Verfahren ein Gutachter eingeschaltet, der die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer längeren Behandlung prüft. Für dieses Gutachterverfahren ist von Ihrem Psychotherapeuten oder Ihrer Psychotherapeutin ein ausführlicher Bericht anzufertigen, der Angaben zu Ihrer lebensgeschichtlichen Entwicklung, zur Problementstehung und zur zurückliegenden und nun geplanten Behandlung enthält. Nach Prüfung des Berichtes empfiehlt der Gutachter dem Kostenträger, die beantragte Behandlung (weiter) zu bewilligen.
Die Kosten für Ihre Psychotherapie trägt Ihre Krankenversicherung. Voraussetzung ist, dass Ihr/e Psychotherapeut/in über eine entsprechende Qualifikation verfügt (siehe auch unter Häufige Fragen). Bei Kassenpatienten (pflicht- und freiwillig versicherte Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen) muss der Psychotherapeut zusätzlich über eine Kassenzulassung (KV-Zulassung) verfügen.
Therapieverlauf
Eine Psychotherapiesitzung dauert in der Regel 50 Minuten. In Ausnahmefällen sind auch längere (oder kürzere) Sitzungen möglich. Vor allem zu Beginn der Behandlung sind wöchentliche Termine üblich. Gelegentlich können auch zwei oder mehr Sitzungen pro Woche erforderlich sein.
In manchen Sitzungen werden therapeutische Hausaufgaben aufgegeben. Dies kann die Beobachtung eines Symptoms (z. B. Protokollieren der Stimmung) oder die Anwendung einer neuen Verhaltensweise (z. B. Atementspannung) sein. Die Hausaufgaben sind zentraler Bestandteil der Therapie. Durch die Hausaufgaben "wirkt" die Psychotherapie zwischen den Sitzungen. Nutzen Sie also die Zeit bis zu Ihrem nächsten Termin! Je besser vorbereitet Sie in eine Sitzung gehen, um so mehr können Sie von ihr profitieren. Zur Vorbereitung auf die Sitzungen ist es hilfreich, sich Notizen zu machen, welche Themen Ihnen wichtig sind oder welche Schwierigkeiten sie in der Zwischenzeit hatten. Manche Patientinnen und Patienten haben auch Freude daran, ein Therapietagebuch zu führen oder eine Therapiemappe anzulegen.
Therapieunterbrechung, Therapeutenwechsel
Mit zunehmender Therapiedauer kann die Häufigkeit der psychotherapeutischen Kontakte in Absprache mit Ihnen verringert werden (z. B. 14-tägige Sitzungen). Grundsätzlich kann die Behandlung auch unterbrochen werden (z. B. bei einem Auslandsaufenthalt), die Therapiepause sollte jedoch nicht länger als sechs Monate andauern. Auch wenn die Genehmigung an den Psychotherapeuten gebunden ist, der sie beantragt hat, ist auch während einer Psychotherapie ein Therapeutenwechsel prinzipiell möglich (z. B. bei einem Wohnortwechsel). Auf Antrag überträgt die Krankenkasse das Reststundenkontingent auf den zukünftigen Psychotherapeuten, vorausgesetzt dieser ist für das gleiche Psychotherapieverfahren zugelassen.
Therapieende
Auch eine Langzeittherapie kann im Ausnahmefall über die 60. Sitzung hinaus verlängert werden. Hierfür ist erneut eine ausführliche schriftliche Begründung einzureichen, die im Gutachterverfahren geprüft wird. Durchschnittlich dauert eine Psychotherapie 12 bis 18 Monate. Wenn ein hinreichender Therapieerfolg erreicht wurde, wird die Behandlung (ggf. auch vor Ausschöpfung des Stundenkontingentes) im gegenseitigen Einvernehmen beendet. In der Abschlussphase werden wichtige Therapieinhalte wiederholt, vorbeugende Maßnahmen gegen einen Rückfall (ein Wiederauftreten der Problematik) besprochen und ein Notfallplan erstellt. Auch nach dem Therapieende besteht (ohne neuerlichen Antrag) die Möglichkeit, gelegentlich Kontrolltermine bei Ihrem Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen.
[ Alle Angaben zu Stundenkontingenten, Therapiedauer etc. beziehen sich auf eine Verhaltenstherapie. ]